Die Digitalisierung in Deutschland kommt nur schleppend in Gang. Das hat das renommierte McKinsey Global Institute in einer Studie herausgefunden. Demnach nutzen die deutschen Unternehmen nur einen Bruchteil der wirtschaftlichen Möglichkeiten, die mit dem Umstieg auf die digitalen Prozesse in ihren Unternehmen verbunden sind. Vor allem im Vergleich mit anderen europäischen Ländern und den USA ist in Deutschland noch immer nicht klar, wie groß die Möglichkeiten sind und wie stark die Firmen davon profitieren können, auf die Digitalisierung zu setzen.

Der wirtschaftliche Nutzen der Digitalisierung wird nicht genutzt

Ohne Frage ist die Digitalisierung momentan die Herausforderung für Unternehmen auf der gesamten Welt. Immerhin zeigen Beispiele aus dem Silicon Valley beinahe täglich, wie groß das Potential im Bereich der Wirtschaftskraft und der Innovation ist. In Deutschland haben die Unternehmen seit jeher Probleme, diese Möglichkeiten für sich zu nutzen. Das zeigten bereits Studien aus der Vergangenheit. Vor allem wurde in den Anfangszeiten ein Zögern bei den Entscheidern in den Unternehmen festgestellt. Sie haben entweder nicht an den wirtschaftlichen Nutzen geglaubt oder die Kosten für die ersten Investitionen gescheut, da sie nicht an einen langfristigen Erfolg der Lösungen geglaubt haben. Mit dem bewiesenen Wachstum auf dem digitalen Markt wird aber auch in Deutschland deutlich, wie groß die Möglichkeiten sind.

In der Studie „Digital Europe“ des McKinsey Global Institute (MGI) die vor einiger Zeit in Paris vorgestellt wurde, wird anhand von Vergleichszahlen mit anderen europäischen Ländern deutlich, wie groß die Schwierigkeiten von deutschen Unternehmen mit der Digitalisierung noch immer zu sein scheinen. Der „Industry Digitisation Index“ ist ein Richtwert, anhand dessen die digitale Wirtschaftskraft in den europäischen Ländern berechnet, erfasst und im Anschluss miteinander verglichen werden kann. Deutschland schneidet an diesem Punkt auch im Vergleich mit anderen Staaten aus Europa eher schlecht aus. Während Großbritannien einen Faktor von 17 erreicht, die Niederlande von 15 Prozent und die USA den Richtwert mit 18 Prozent vorgeben, rangiert Deutschland momentan nur bei 10 Prozent. Selbst der gesamte Schnitt in Europa liegt mit 12 Prozent höher. Hier zeigen sich wieder die altbekannten Probleme, die mit der Digitalisierung in Deutschland verbunden sind.

Großes wirtschaftliches Potential bei geringer Steigerung möglich

Wäre Deutschland in der Lage sein Potential im Bereich der Digitalisierung richtig zu nutzen, würden nicht nur die einfachen Unternehmen profitieren. Inzwischen hängt ein großer Teil der wirtschaftlichen Leistung davon ab, ob es den Firmen in Deutschland möglich ist, die Digitalisierung richtig für sich zu nutzen. Bei einer Optimierung in Deutschland wäre es zum Beispiel möglich, dass sich das gesamte Bruttoinlandsprodukt um bis zu einen Prozent und somit um 500 Milliarden Euro steigert. Wäre die Steigerung sogar in der gesamten EU-Zone bis zu einem optimalen Grad möglich, sind Steigerung von bis zu 2,5 Billionen Euro in Aussicht. Das Potential ist also vorhanden aber noch immer scheinen die Unternehmen Probleme bei der Umsetzung zu haben. Inzwischen sind diese Hürden aber nicht mehr nur mit dem Unwillen in den Management-Ebenen der Firmen verbunden. Auch auf der Regierungs- und Behördenebene haben die Experten von McKinsey herausgefunden, dass es ein erhebliches Potential für die Verbesserung gibt.

Die Bedeutung der digitalen Wirtschaft in Deutschland und Europa

Das Silicon Valley in den USA ist natürlich noch immer der Leuchtturm der gesamten Branche. Hier entstehen nicht nur die neusten Innovationen, der Standort gilt auch weiterhin als der Gradmesser der digitalen Wirtschaft in der Welt. Allerdings schließt Deutschland langsam auf: Bei einem Anteil von 5 Prozent im gesamten Europa macht in Deutschland die digitale Wirtschaft immerhin schon 5,4 Prozent aus. Das zeigt sich auch an der Zahl der gestiegenen Nutzer im Internet: Etwa 85 Prozent der Menschen surfen inzwischen regelmäßig im World Wide Web. Der Schnitt in Europa liegt bei 75 Prozent.

Deutschland hinkt beim Netzausbau weiter hinterher

Dafür, dass Deutschland in der Welt eine führende Rolle in der wirtschaftlichen Leistung einnimmt, ist es äußerst bedenklich, wie sehr man beim Bereich der digitalen Innovation im Hintertreffen ist. So liegt zum Beispiel der Netzausbau für Highspeed-Verbindungen in deutschen Haushalt bei nur 92 Prozent. Was auf den ersten Blick viel erscheint, relativiert sich in dem Augenblick, in dem man weiß, dass der Schnitt in Europa bei 98 Prozent liegt. Viele Staaten haben in den letzten Jahren ihre Gesetzgebung geändert und den Recht auf den Zugriff auf das Internet fest in ihrer Legislative verankert. In Deutschland gibt es seit jeher Probleme, da das Thema auf der Regierungs-Ebene zu spät als bedeutend erkannt wurde.

Gute Beispiele sind etwa die baltischen Staaten: Hier gibt es in beinahe jedem Haushalt einen Anschluss für Breitband-Internet. Zudem wurden viele Aspekte des täglichen Lebens und des Umgangs mit den Behörden digitalisiert. Das zeigt sich auch beim Thema E-Government. Zwar rüstet Deutschland in den letzten Jahren deutlich nach und versucht eine Basis dafür zu schaffen, dass die Bürger die Gänge zu Behörden oder wichtige andere Dinge über das Internet erledigen können, der Fortschritt ist bisher aber nur schwer erkennbar. Man muss festhalten, dass nicht nur die Unternehmen in Deutschland sehr zögerlich bei der Umsetzung der Digitalisierung waren. Auch Behörden, Regierungen und Ämter haben es verpasst, eine gute Grundlage für die digitalen Prozesse zu legen. Man rüstet nun zwar nach, allerdings wird es noch einige Zeit dauern, bis die Akzeptanz in der Bevölkerung ausreichend vorhanden ist.

Finanzen und ITK-Branche profitieren am meisten von der Digitalisierung

Wirft man einen Blick auf den Fortschritt in den einzelnen Branchen wird sehr schnell deutlich, wo der größte Nachholbedarf vorhanden ist. Während die Branchen für IT- und Telekommunikation am ehesten die nötigen Schritte für die Digitalisierung vorbereitet und umgesetzt haben, kann höchstens der Finanzsektor mit ähnlichen Zahlen punkten. Problematischer wird es, wenn man etwa in die Bereiche Bildung, Logistik, Transport und Dienstleistungen blickt. Hier zeigen sich die Folgen des Umstandes, dass die meisten Branchen erst in den letzten drei Jahren mit den nötigen Investitionen begonnen haben. Viele andere Länder in Europa sind mit ihren Entwicklungen bereits weiter und bieten daher ihren Kunden und den Umgang mit anderen Nationen eine ganz andere Grundlage. Es bleibt zu hoffen, dass die Investitionen schnell und vor allem effizient vorangetrieben werden. Die Befürchtung ist, dass Deutschland bei einem weiteren Absturz in diesem Bereich den Anschluss an den Markt verlieren könnte und am Ende seine wirtschaftliche Rolle als Vorreiter im schlimmsten Fall verlieren würde.

Die Gründerszene als ein symbolisches Bild für die Probleme

Eigentlich sollte es gerade die innovative Gründerszene sein, die die Digitalisierung für sich nutzt und zu einem Vorbild für andere Branchen in Deutschland wird. Immerhin sind es meist die jungen Unternehmen, die nicht nur von Innovationen profitieren, sondern diese auch für ihre eigenen Geschäftsmodelle weiterentwickeln. Ein Blick in das Silicon Valley zeigt deutlich, wie groß die Möglichkeiten sind. Tatsächlich haben aber Standorte wie Berlin derzeit wenig positive Meldungen zu verkünden, wenn es um den digitalen Fortschritt geht. Das gilt allerdings nicht nur für Deutschland: Überall in Europa hat die Gründerszene bisher nicht seinen erhofften Anteil an Unternehmen in der digitalen Welt. Das zeigt sich auch daran, dass kein europäisches Unternehmen in den Top 20 der Gründungen mit der höchsten Marktkapitalisierung zu finden sind. Unter den Unternehmen, die eine Kapitalisierung von über 1 Milliarde Euro erreicht haben, sind insgesamt nur fünf Unternehmen aus Europa zu finden. Das Silicon Valley ist noch immer der große Maßstab für die meisten Investoren. Allerdings verweist die Studie auch darauf, dass in den letzten Jahren Fortschritte gemacht worden sind. Beim Thema Big Data, und „Internet of things“ konnten die Unternehmen in Europa zuletzt aufholen. Sollte der Trend weiterhin in diese Richtung gehen, könnte es in den nächsten Jahren erheblich bessere Meldungen geben.

Was sind die Tipps für eine Verbesserung der Lage?

Natürlich gibt es nicht nur Kritik für das deutsche und das europäische System. Die Studie hat außerdem die wichtigsten Faktoren gefunden, die für ein stetiges Wachstum in diesem Bereich verantwortlich sein würden. Hier die Punkte, die dazu führen würden, dass es auch in Deutschland einen Aufschwung in der digitalen Welt gibt:

  • Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen sich mehr auf die Herausforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung einstellen: Weiterbildungen und zusätzliche Qualifikationen sollten dazu führen, dass die neuen Möglichkeiten aktiver in den Alltag bei der Arbeit und in die Welt des Konsumenten eingepflegt werden.
  • Behörden und Regierungen sind angewiesen, mit entsprechenden Regularien und Förderungen die Entwicklung des Marktes zu beschleunigen. Dazu gehört auch, dass sie selbst im Bereich E-Government aktiver werden und dafür sorgen, dass es ein Faktor für den Alltag der Menschen wird.
  • Die Prioritäten der Unternehmen sollten in der Digitalisierung darin liegen, Prozesse zu finden, die ihre eigenen Firmen verbessern können. Dabei geht es langfristig um eine bessere Kommunikation aber auch um eine Beschleunigung von bereits eingefahrenen Entwicklungen im eigenen Unternehmen.

Sollte es in den nächsten Jahren zu einer Umsetzung dieser Dinge kommen und werden diese Faktoren erfüllt, gibt es keinen Grund, warum Deutschland seinen Rückstand nicht wieder aufholen sollte. Allerdings wird es Zeit, da die Entwicklungen auch in den anderen Ländern stetig voranschreiten und Deutschland endlich eine Führungsrolle gemäß seiner Position in der europäischen Wirtschaft einnehmen muss.

Wie ist der Ausblick für die Zukunft?

Bisher war die Digitalisierung ein durchaus problematisches Thema in Deutschland. Der nicht vorhandene Wille für Umstiege, Investitionen und Veränderungen von Prozessen hat dazu geführt, dass man sich heute nicht an der Position befindet, an der man sein sollte. Wie die Studien der letzten beiden Jahre festgestellt haben, hat allerdings auch in Deutschland ein Umdenken bei den KMUs eingesetzt. Nötige Investitionen und Veränderungen wurden endlich angestoßen. Es bleib abzuwarten, wie die Ergebnisse in den nächsten Jahren aussehen. Zudem ist der Gesetzgeber gefragt, endlich durch die richtigen Regularien und Förderungen eine gute Grundlage für die digitale Wirtschaft in Deutschland zu schaffen.

veröffentlicht von Jörn

Jörn Brien ist Chefredakteur und Betreiber von Die Wirtschaftsnews – deinem Ratgeber für Aktien und Kryptowährungen. Der Journalist arbeitet(e) für verschiedene namhafte Publikationen in Deutschland und Österreich, darunter Golem, Kurier, t3n, e-media, Futurezone und pressetext. Darüber hinaus betreibt er den Online-Buchshop Meine Buchhandlung Wien und mehrere Facebook-Gruppen sowie Blogs.