Die „Big Three“ unter den Rating-Agenturen teilen den globalen Markt der Kreditbewertung weitgehend untereinander auf. Unter ihnen ist Standard & Poor’s die größte und wohl einflussreichste. Dabei hat sie einen beeindruckenden Weg zurückgelegt, vom einmal jährlich erscheinenden Almanach über Eisenbahnunternehmen in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zum Marktgiganten, dessen ständig aktualisierte Einschätzungen Unternehmen und ganze Nationen ins Wanken bringen können.

Zuverlässige Daten für eine zunehmend anonyme Volkswirtschaft

Standard & Poor’s, die größte unter den drei großen amerikanischen Kreditagenturen, kann, wie die beiden anderen, Moody’s und Fitch, auf eine mehr als hundertjährige Geschichte zurückblicken. Ihre ursprünglichen Wurzeln reichen sogar noch weiter zurück: Während die Marktinformationen des 1906 gegründeten Standard Statistics Bureau in die Zeit des wirtschaftlichen Booms um die Jahrhundertwende fallen, veröffentlichte Henry Varnum Poor seine Handbücher über die Wirtschaftsfähigkeit der damaligen Eisenbahnbetriebe schon in den 1860er Jahren. Das Geschäftsmodell verdankte seine Existenz der wachsenden und über zunehmend größere Distanzen zusammenhängenden Wirtschaft der USA: Während die meisten Kreditgeber bis Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Kreditnehmer persönlich kannten (und entsprechend ihre Kreditwürdigkeit selbst einschätzen konnten), dehnten sich durch das Erschließen des amerikanischen Westens die Geschäftsbeziehungen zwischen Banken, Investoren und Unternehmen weiter aus. Um als New Yorker Investor sicher Geld in ein kalifornisches Gewerbe stecken zu können, bedurfte man Informationen über Firmen, deren Verantwortliche man nicht persönlich kannte. Die Daten von Poor und des Standard Statistics Bureaus lösten dieses Problem, indem sie unabhängig Bewertungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Unternehmen ermittelten und diese Spekulanten und Investoren zur Verfügung stellten.

Mit der Fusion der beiden Unternehmen 1941 stieg die nun als Standard & Poor’s firmierende Agentur schnell zu einem führenden Akteur im Feld der Kreditbewertung auf. 1966 wurde das Unternehmen vom Verlag McGraw-Hill, Inc. aufgekauft, um 2016 schließlich in S&P Global Inc. umbenannt zu werden.

Standard & Poor`s – Der Gigant unter den „Big Three“

Gemeinsam mit Moody’s und Fitch kontrolliert S&P 95 Prozent des Marktes für Kreditinformationen und bewertet jährlich etwa 1,2 Millionen Finanzprodukte privater und staatlicher Unternehmen. Mit einem Marktanteil von geschätzt 40 Prozent ist Standard & Poor’s weltweit Marktführer im Bereich der Kreditbewertung. Das Geschäftsmodell erlangte mit der wirtschaftlichen Liberalisierung der 1980er und insbesondere mit der Globalisierung nach dem Ende des Kalten Krieges immer größere Bedeutung. Heute operiert Standard & Poor’s mit etwa 1500 Analysten in 28 Ländern und auf allen Kontinenten. Der Hauptsitz des Unternehmens liegt im Finanzdistrikt Manhattans, die deutsche Dependance firmiert in Frankfurt am Main.

Selbst innerhalb der großen Drei nimmt S&P aber eine Sonderstellung ein. Denn als einziges der drei Unternehmen veröffentlicht Standard & Poor’s auch eigene Marktindizes, von denen der S&P 500 der bedeutendste ist.

Tradition und Reputation: Das Oligopol der großen Drei

Aufgrund der Komplexität der Aufgabe und der Wichtigkeit, die die Einschätzung der Kreditfähigkeit für die globale Wirtschaft besitzt, sind Zuverlässigkeit und Reputation für die Rating-Agenturen entscheidende Eigenschaften. Entsprechend schwer fällt es Neueinsteigern, in den Markt der Kreditbewertung einzusteigen, obwohl im Laufe der letzten Jahrzehnte eine Vielzahl von amerikanischen und multinationalen Unternehmen entsprechend lizenziert wurde. Mehr als regionale Bedeutung hat jedoch keine dieser Agenturen erlangt, vor allem den Markt der global gehandelten Kredite teilen sich immer noch die „Big Three“ untereinander auf.

Auf den ersten Blick scheint das Gewicht der Tradition die eigentlichen Kompetenzen zu überwiegen – immerhin bewertete Standard & Poor’s ebenso wie Moody’s und Fitch im Vorfeld der Immobilienkrise 2008 eine Vielzahl von Finanzprodukten mit teils höchsten Noten, die sich im Nachhinein nicht nur nicht als Qualitätsprodukte, sondern als schlicht wertlose Junk Bonds herausstellten. Trotz der in zentralen Geschäftsbereichen katastrophalen Performance hat sich an der Marktmacht von S&P jedoch nichts geändert. Genauer betrachtet zeigt sich aber, dass die Position von Standard & Poor’s auch an der allgemein geschätzten Zuverlässigkeit der dort durchgeführten Kreditbewertungen liegt – nach eigenen Angaben erleidet nämlich nur etwa jedes hundertste der von S&P als kreditwürdig eingestuften Finanzprodukte einen Zahlungsausfall.

veröffentlicht von Jörn

Jörn Brien ist Chefredakteur und Betreiber von Die Wirtschaftsnews – deinem Ratgeber für Aktien und Kryptowährungen. Der Journalist arbeitet(e) für verschiedene namhafte Publikationen in Deutschland und Österreich, darunter Golem, Kurier, t3n, e-media, Futurezone und pressetext. Darüber hinaus betreibt er den Online-Buchshop Meine Buchhandlung Wien und mehrere Facebook-Gruppen sowie Blogs.