Als der Finanzkrimi „Flash Boys“ des US-amerikanischen Publizisten Michael Lewis 2014 herauskam, konnten einige Börsianer mit einem Mal deutlich schlechter schlafen. Die brisante Kernaussage des Romans: Bereits jetzt beherrsche die Technik im Grunde die Aktienmärkte und nicht einmal alle Broker noch die Investoren können das Geschehen richtig durchschauen.

Wäre der Roman von einem anderen Autor veröffentlicht worden als von Michael Lewis, würde dies möglicherweise als Spinnerei abgetan. Doch seine Einschätzung des Hochfrequenzhandels treibt die Wirtschaftsmogule um. Wer ist also der Mann hinter dem Buch?

Ausbildung führt Michael Lewis an die Wall Street

Michael Lewis wird am 15. Oktober 1960 in New Orleans in den USA geboren. Nach der Schule geht er zum Studium der Kunstgeschichte an die Princeton University. Erst nach einer Tätigkeit für einen Kunsthändler studiert Lewis schließlich an der London School of Economics Wirtschaftswissenschaften. Nach seinem Master 1985 geht er für eine Ausbildung zur Investmentbank Salomon Brothers nach New York.

Für diese Bank arbeitet er anschließend noch drei Jahre in London. Er kündigt jedoch, um als Wirtschaftsjournalist zu arbeiten. Seine Einblicke in die Wall Street und ihre Geschäfte verarbeitete er in seinem ersten Buch „Wall Street Poker“ (Originaltitel „Liar’s Poker“), das 1989 erschien und innerhalb kürzester Zeit zu einem internationalen Bestseller avancierte.

Unterschiedliche Themen

Lewis kehrt nach diesem Erfolg dem Handel vollständig den Rücken und widmet sich weiter dem Schreiben. Auch wenn er sich thematisch in vielen seiner Aufsätze und Bücher kritisch mit der Wall Street auseinandersetzt, erreicht er eine große Vielfalt in seiner Themenwahl. So beleuchtet er unsere Vorstellungen von Erfolg und Misserfolg, betrachtet das Geschehen im Silicon Valley oder schreibt über das Vaterwerden.

Er behält bei all den Themen stets seinen investigativen Charakter und seinen unterhaltsamen Unterton, der gerade seine thematisch trockeneren Bücher gut lesbar machen. Hier schreibt jemand, der akkurat recherchiert, Fakten zusammenhängend erklären kann und zugleich ein Gefühl für Sprache hat. Michael Lewis gelingt es, über einen Charakter ein Thema für den Leser zugänglich zu machen und auch komplexe Hintergründe akkurat und verständlich zu beleuchten. Zwar handelt es sich bei vielen seiner Bücher faktisch um Sachbücher. Sie sind aber so geschrieben, dass der Leser zugleich unterhalten wird.

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„The Blind Site“ macht Lewis zum verfilmten Autor

Diese gewinnende Kombination ist einer der Gründe, warum der Autor Michael Lewis so einen Erfolg hat. Daneben ist es jedoch auch sein Gefühl für die Themen und sein Timing. Er setzt sich kritisch mit den Hintergründen der Welt des Footballs anhand des Lebensberichts des Spielers Michael Oher auseinander und landet auch damit einen Hit. Seine Analyse bildet die Grundlage für den erfolgreichen Film „The Blind Side“ aus dem Jahr 2009, mit dem Sandra Bullock einen Oscar gewinnt.

Und auch sein Sachbuch „Moneyball“ aus dem Jahr 2003 wird 2011 zu einem Oscar-nominierten Film mit Brad Pitt und Philip Seymour Hoffmann. Seine Themen interessieren die Menschen und sein Ton und seine Analysen sprechen die Masse an, ohne dabei ins populistische zu gehen.

The Big Short

Einen weiteren Bestseller landete der Publizist mit einer Reportage über die Immobilienkrise 2007. 2010 erschien das Buch „The Big Short: Wie eine Handvoll Trader die Welt verzockte“. Lewis beleuchtet darin anschaulich die Hintergründe der Immobilienkrise und zeigt die verschiedenen Akteure und ihre Beweggründe. Ob es dabei die „Stupid Germans in Düsseldorf“ sind oder die Wall-Street-Jongleure – Lewis richtet seinen entlarvenden Blick auf alle Seiten und gewinnt damit an Glaubwürdigkeit.

Er bezieht keine Stellung, sondern entlarvt die Mechanismen. Der Zündstoff des Materials machte auch die Filmindustrie auf Lewis aufmerksam. 2015 kam der auf dem Buch aufbauende Film „The Big Short“ mit den Schauspiellieblingen Ryan Gosling, Brad Pitt und Christian Bale in den Hauptrollen ins Kino.

Und dann die „Flash Boys“

Lewis bleibt der Wall Street thematisch stets verbunden. Er berichtet als Wirtschaftsredakteur bei der US-amerikanischen Ausgabe der Vanity Fair weiterhin kritisch über sie und arbeitet beständig an weiteren Veröffentlichungen zu diesem Thema. 2014 war es dann wieder Zeit für ein Buch über die Wall Street aus seiner Feder.

Dieses Mal schaute sich Lewis den Hochfrequenzhandel an der amerikanischen Börse an. Er warf dabei den Fokus auf eine exklusive Gruppe von Händlern. Mithilfe einer weit entwickelten technischen Ausstattung würden diese sich als Mittlerinstanz zwischen Börse und andere Broker stellen. Für die anderen sei diese Verbindung nicht sichtbar und so würde die exklusive Gruppe an jedem Handel verdienen.

Wenn bei einem anderen Autor erst einmal eine Debatte über die Plausibilität ansetzen würde und die Größen des Investment Bankings die These herab stufen würden, so ist das bei Lewis mit seinem Namen und seinem Einfluss nicht mehr möglich. Ein Auszug aus dem Buch wurde in der New York Times zeitnah mit der Veröffentlichung publiziert. Dies gab den Anstoß, über eine Finanzaufsicht zu sprechen.

Obwohl dieses Buch als Wirtschaftskrimi und nicht als Sachbuch publiziert wurde, führte es so dazu, dass die realen Umstände ins öffentliche Visier gerieten. Das FBI und die Securities and Exchange Commission (kurz SEC) veröffentlichten kurz darauf Statements, dass entsprechende Ermittlungen bereits seit einige Zeit laufen würden. Es gab öffentliche Anfeindungen, Diffamierungen, aber im Grunde wusste auch jeder: Der Autor Michael Lewis konnte nicht mundtot gemacht werden.

Die Geschichte der „Flash Boys“

Michael Lewis schickt seinen Protagonisten Brad Katsuyama auf die Reise durch das System der Investmentbanken. Katsuyama ist zu Beginn des Romans ein etwas naives Zahnrad des Systems. Schließlich erkennt er jedoch, wie der Markt manipuliert wird. Dieser Erkenntnisprozess des Protagonisten ermöglicht es auch dem Leser, der sich wenig mit Finanzmärkten auskennt, einen Zugang zum Thema zu finden und die Prozesse zu begreifen.

Zugleich ist Brad Katsuyama kein fiktiver Charakter, sondern existiert tatsächlich. Der Kanadier mit asiatischen Wurzeln entwickelte ein Programm, mit dem Investoren den Hochfrequenzhandel umgehen können: Thor. Dabei werden die Orders gestaffelt abgeschickt und das sogenannte Front Running damit verhindert. Danach arbeitete Katsuyama an einer alternativen Börse: der IEX. Bei dieser werden künstliche Verzögerungen eingebaut. Michael Lewis hat mit seiner Geschichte rund um Brad Katsuyama so auch dafür gesorgt, dass diese Börse und die Entdeckung der neuen Langsamkeit ins Bewusstsein der Masse tritt.

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veröffentlicht von Jörn

Jörn Brien ist Chefredakteur und Betreiber von Die Wirtschaftsnews – deinem Ratgeber für Aktien und Kryptowährungen. Der Journalist arbeitet(e) für verschiedene namhafte Publikationen in Deutschland und Österreich, darunter Golem, Kurier, t3n, e-media, Futurezone und pressetext. Darüber hinaus betreibt er den Online-Buchshop Meine Buchhandlung Wien und mehrere Facebook-Gruppen sowie Blogs.